Schraubklemmen- versus Push-In-Anschlusstechnik

Schraubklemmen- versus Push-In-Anschlusstechnik

Vor über zehn Jahren begann mit der Einführung der Push-In-Anschlusstechnik auch die Diskussion, ob die Schraubanschlusstechnik damit überholt sei. Wieso die generelle Frage “Schraubklemmen – ja oder nein“ an den praxisbezogenen Anforderungen vorbei zielt und reale Marktbedürfnisse außer Acht lässt, erläutert Jörg Nowastowski-Stock, leitender Produktmanager von Conta-Clip, im Gespräch mit dem SCHALTSCHRANKBAU. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren stark in die Weiterentwicklung seines Schraubanschlussklemmen-Sortiments investiert und bewirbt es als eines der modernsten unter den derzeit erhältlichen Schraubreihenklemmen-Programmen.

SSB: Herr Nowastowski-Stock, Conta-Clip preist sein Schraubanschlussklemmen-Sortiment als eines der weltweit modernsten an. Wie ist das zu verstehen, wodurch zeichnet sich die Modernität aus?

Jörg Nowastowski-Stock: Unser Schraubklemmenprogramm greift alle wichtigen konstruktiven Innovationen auf, die zur Verbesserung der Funktionalität, Sicherheit und der einfachen Handhabung gemacht wurden. Conta-Clip hat sich seine Marktposition dadurch erarbeitet, dass wir immer überlegt haben, wie wir auch bestehende Produktgruppen noch etwas nutzerfreundlicher ausführen können. Das gilt ebenso in Bezug auf die Flexibilität hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten und auf die Reduzierung der Lagerhaltung bei unseren Kunden. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren einen signifikanten Eurobetrag in die Anschaffung eines neuen Maschinenparks und neuer Werkzeugtechnik zur Produktion von Schraubanschlussklemmen investiert, die alle wichtigen Qualitätsanforderungen berücksichtigen und viele praktische Neuerungen bieten.

SSB: Können Sie das bitte an Beispielen konkretisieren?

Nowastowski-Stock: Das beginnt mit den robusten, verwindungssteifen Gehäusen mit vergrößerten Ader-Einführungskanälen und einem optimalen Festsitz auf der Tragschiene, reicht über den materialintensiven Innenaufbau mit niedrigem Übergangswiderstand, bis zum umfangreichen, flexibel einsetzbaren Zubehör. Beispielsweise lassen sich mit unseren steckbar ausgeführten 30-poligen Standard-Querverbindern auch Reihenklemmen unterschiedlicher Querschnittsbereiche von 2,5 mm² bis 10 mm² verbinden. Dabei können die Querverbinder je nach Bedarf gekürzt und einzelne Pole zum Überspringen von Klemmen einfach heraus gebrochen werden. Zusätzlich haben wir die Stromtragfähigkeit für unserer Querverbinder und Klemmen so hoch ausgelegt, dass sie problemlos dem Bemessungsstrom der jeweils nächstgrößeren Klemmen aus der gleichen Serie standhalten. Dies sind nur einige der Funktionsmerkmale, durch die sich die weiterentwickelten Produkte von Conta-Clip vom herkömmlichen Marktangebot abheben. Fakt ist: Durch unseren Entschluss, unsere Entwicklung und Fertigung von Schraubanschlussklemmen auf eine neue Grundlage zu stellen, verfügen wir nun über das aktuellste am Markt erhältliche Programm.

SSB: Viele Monteure schwören auf die zeitsparende Push-In-Anschlusstechnik. Ist der Schraubklemmenanschluss angesichts der zunehmenden Verbreitung von Federkraft- oder Schneidklemmen noch zeitgemäß?

Nowastowski-Stock: Ich muss Ihre Frage ein wenig korrigieren: Schneidklemmen werden nach unserem Kenntnisstand heute nur noch von einem Mitbewerber hergestellt und spielen auf dem Markt bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Einst hatte man versucht, die Schneidklemmenanschlusstechnik, die ursprünglich nur in der Daten- und Telekommunikationstechnik Anwendung fand, in die Welt der Maschinen und Anlagen zu transferieren. Hier konnte sie sich aufgrund prinzipbedingter Schwachstellen aber nicht durchsetzen, da die Anschlussadern bei jeder Umverdrahtung wegen der beschädigten Isolierungen gekürzt werden mussten. Außerdem zeigte sich, dass Schneidklemmen aufgrund der temperaturabhängigen Festigkeit der Aderisolierungen nicht immer sicher kontaktieren. Beispielsweise hat der Einsatz in kalten Regionen zu Problemen geführt. Anfänglich fanden wir diese Anschlusstechnik auch bei Conta-Clip sehr interessant, sind aber nach ersten Anzeichen der Unzuverlässigkeit frühzeitig aus der Entwicklung ausgestiegen. Stattdessen haben wir uns in dieser Zeit auf die Weiterentwicklung der Federzugklemmen hin zu Push-In-Technik konzentriert, die wir dann als einer der ersten Anbieter auf der Hannover Messe 2004 präsentieren konnten. Nun komme ich aber zurück auf ihre ursprüngliche Frage, ob die Schraubklemmenanschlusstechnik noch zeitgemäß seien: Selbstverständlich ist sie das, und daran wird sich in absehbarer Zukunft nichts ändern.

SSB: Aber ist die schnelle und einfache Verdrahtung mit Push-In-Klemmen nicht ein wichtiges Argument?

Nowastowski-Stock: Selbstverständlich ist das ein gutes Argument, wir haben die Technik schließlich selbst entwickelt und bieten sie erfolgreich an. Aber es gibt bei der Wahl der jeweils am besten geeigneten Klemmen noch eine Reihe anderer wichtiger Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, darunter zuallererst die verwendeten Ader-Querschnitte. Klassische Zugfederklemmen sind genauso wie die neueren Push-In-Klemmen mit Druckfedertechnik für Querschnitte bis 35 mm² ausgelegt. Für die sichere Kontaktierung von Querschnitten ab 35 mm² bis zu 240 mm² oder gar 300 mm² sind aus meiner Sicht Schraubklemmen bzw. Bolzenklemmen die erste Wahl. Im Hinblick auf die entsprechend hohen Leistungen bieten diese Anschlussarten durch die größere Kontaktauflage, die höhere Kontaktkraft und den erheblich geringeren Übergangswiderstand hohe Sicherheit. Außerdem haben Schraubanschlussklemmen noch andere Vorteile, wie beispielsweise die Möglichkeit, unter Berücksichtigung des zulässigen Querschnittbereichs zwei Adern in einem Klemmenkanal anzuschließen.

SSB: Und für welche Einsatzgebiete empfehlen Sie PushIn-Klemmen?

Nowastowski-Stock: Wo es um kleinere Querschnitte geht, wie z.B. bei der Übertragung von Steuerungssignalen, bieten PushIn-Klemmen eine schnelle und sichere Anschlusslösung, die den Schraubanschlussklemmen in Sachen Komfort und Zeitersparnis deutlich überlegen sind. Bei unseren FRK-Klemmen mit Push-In-Technik können sowohl starre oder flexible Leiter mit Aderendhülse sehr leicht und mit nur geringer Kraft eingesteckt werden. Dabei öffnet die Ader die Klemmstelle selbstständig und wird somit automatisch kontaktiert – was die Arbeit der ausführenden Monteure oder Techniker natürlich erheblich vereinfacht. Den Ader-Einführungskanal haben wir dabei so dimensioniert, dass anstelle von flexiblen Adern mit Aderendhülse auch Massivleiter des nächst höheren Querschnitts kontaktiert werden können.

SSB: Ein häufig gehörtes Argument für Push-In- und gegen Schraubanschlüsse betrifft die Rüttelfestigkeit. Anders als bei Federkraftklemmen müssten bei Schraubklemmen die Schrauben regelmäßig nachgezogen werden.

Nowastowski-Stock: Das ist und war bei unseren Schraubklemmen nicht der Fall und meines Erachtens auch nicht bei den Qualitätsprodukten unserer Mitbewerber. Bei unseren Produkten jedenfalls kontaktiert die Schraube nicht die Ader, sondern setzt einen dynamischen Käfig unter Zug, der das Gewinde der Schraube kontert. Da kann sich nichts los rütteln. Tatsächlich ist die vermeintlich mangelnde Rüttelfestigkeit ein zählebiger Mythos, der vermutlich mehrere Ursachen hat. Zum einen wurde während der letzten Jahrzehnte von einem Marktbegleiter versucht, die Schraubtechnik aus Marketinggründen kaputt zu reden. Und zum zweiten dürfte die Annahme, Schraubanschlussklemmen hätten schnell mal eine Schraube locker, ihre Hauptfehlerquelle im nicht eingehaltenen Anzugsdrehmoment haben.

SSB: Von vielen Unternehmen hört man, dass sie zur Verdrahtung von Maschinen oder Anlagen, die für den Export bestimmt sind, bevorzugt Schraubklemmen verwenden. Gibt es da nationale Unterschiede? Ist die Entscheidung für Klemmentypen auch eine Frage der Gewohnheit oder Tradition?

Nowastowski-Stock: Ja, auf jeden Fall. Zunächst aber müssen wir dafür einen Blick auf Deutschland werfen, das der weltweite Marktführer für elektrische Anschlusstechnik ist – bis zu 70% der weltweit eingesetzten Produkte stammen von deutschen Herstellern. Das schafft einen Wettbewerbsdruck, dem man nur durch regelmäßige Innovationen standhalten kann, weshalb der Markt sehr innovationsgetrieben ist: Die Hersteller verbessern ihre Produkte häufig, suchen neue Lösungsansätze und verfolgen neue Trends mit großem Interesse. Je weiter man sich aber aus Deutschland und Europa entfernt, desto geringer ist die Nachfrage nach jüngsten Neuerungen, und man bedient sich lieber der bekannten und bewährten Technik.

SSB: Welchen Anteil am Umsatz von Conta-Clip macht das Programm an Federkraftklemmen gegenüber ihren Schraubanschlussklemmen aus.

Nowastowski-Stock: Pauschale Anteile am Gesamtumsatz kann ich Ihnen hier nicht nennen, da der Klemmenbereich einer von insgesamt fünf Produktbereichen ist, mit denen Conta-Clip als Vollsortimenter für Steuerungshersteller auftritt. Neben der industriellen elektrischen Verbindungstechnik entwickelt Conta-Clip Bausteine für die elektrische und elektronische Koppelebene, Leiterplattenanschlusstechnik, Gehäuse und Installationsmaterialien. Außer Steuerungen und Bussystemen bieten wir alles an, was zur vollständigen Bestückung von Schaltschränken erforderlich ist. Aber die isolierte Betrachtung unseres Klemmenabsatzes spiegelt exakt die Marktgegebenheiten wieder, wobei der Anteil der Schraubanschlusssysteme nach wie vor deutlich über 50 Prozent liegt.

SSB: Welche Anschlusstechnik müssen Klemmenanbieter aus Ihrer Sicht im Programm haben, um international wettbewerbsfähig zu sein?

Nowastowski-Stock: Jeder Anbieter sollte die wesentlichen Anschlusstechniken im Portfolio haben: Schraubanschlusstechnik ist aus den genannten Gründen obligatorisch, daneben zählen die seit langem etablierte Federzugtechnik, die Push-In-Technik und natürlich die Bolzenanschlusstechnik zur Übertragung hoher Ströme dazu. Dabei kann es aber nicht darum gehen, Kunden zu bestimmten Anschlussarten zu überreden oder von anderen abzuraten. Letztlich entsprechen alle Klemmensysteme am europäischen Markt der Euronorm EN 60947-7/1, so dass Anwender bei sachgemäßer Verwendung alle Klemmen – unabhängig von Anschlussart und Fabrikat – ohne Einschränkungen nutzen können. Viele unsere Kunden verwenden alle vier Anschlussarten, auch im gleichen Schaltschrank. Die jeweilige Klemmenwahl hängt nur von den spezifischen Applikationsanforderungen und den Kundenbedürfnissen ab.

SSB: Bleibt uns die Schraubklemmentechnik auf lange Sicht erhalten? Wie schätzen Sie den künftigen Trend ein?

Nowastowski-Stock: Wir gehen davon aus, dass der Anteil von Schraubanschluss- bzw. Bolzenklemmen an der Gesamtmenge der eingesetzten Klemmen in den kommenden 20 Jahren weltweit bei rund 40 Prozent liegen wird.

SSB: Wie sieht die weitere Produktausrichtung für Conta-Clip in den nächsten Jahren aus?

Nowastowski-Stock: Wir werden weiterhin unser Reihenklemmenprogramm ausbauen, Ideen die gerade in der Umsetzungsphase sind, werden den Markt sicherlich überraschen. Wir sind aber auch parallel dabei, Ideen für einen neuen Produktbereich umzusetzen. Ich verspreche Ihnen, dass Conta-Clip bei diesem Thema weiter für Spannung sorgen wird.

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