Interview mit Richard Markus (Teil 2)


Sie erwähnten vorhin, dass die Brandschutznorm DIN EN45545 für viel Gesprächsstoff bei den Herstellern von Komponenten für die Bahntechnik sorgt. Können Sie dies bitte konkretisieren?

Markus: Die jüngsten Brandschutzbestimmungen haben zu kontroversen und heftigen Diskussionen, aber auch zu einer Verunsicherung am Markt geführt, da diese ein ungeheures Maß an bürokratischem Aufwand geschaffen haben. Dabei war die Ausgangsmotivation zur Schaffung einer neuen Brandschutznorm eine ganz hehre: Ziel war es nämlich, für einen maximalen Personenschutz im Bahnverkehr zu sorgen. Bis August 2013 galten hierfür auf europäischer Ebene noch die nationalen Normen – es gab also französische, italienische, englische oder deutsche Brandschutznormen. Dies bedeutete, wenn ein Komponentenhersteller in diese europäischen Länder liefern wollte, musste er die jeweilige nationale Norm erfüllen, was sehr aufwendig und kostspielig war. Dieses Problem hatte die Politik erkannt und sich bemüht, eine gemeinsame europäische Norm zu schaffen. Zu diesem Zweck waren entsprechende Gremien seit 1991 an der Arbeit, die nationalen Normen zusammenzuführen und in eine europäische Norm zu ‚gießen‘. Nach Meinung vieler Bahnzulieferer hat man bei dieser Arbeit allerdings die Hauptintention – nämlich den Personenschutz – etwas aus den Augen verloren und sich stattdessen nur noch auf die Tests, deren Abfolge und auf die Qualifizierbarkeit von Kunststoffen konzentriert. Dies hatte zur Folge, dass Hersteller jetzt selbst bei dem kleinsten Beschriftungsschild über ein Zertifikat belegen mussten, dass dieses die Brandschutznorm erfüllt. Bei einer Klemme, die nur einige Cent kostet, müssten Dokumentationen über sieben Seiten beigefügt werden. Das Prozedere, wie die Brandschutz-Konformität hinsichtlich der Komponenten geprüft und abgefragt wird, ist schlicht unverhältnismäßig. Es ist kompliziert, undurchsichtig und lässt viel zu viel Interpretationsspielraum. Ergo: es wurde an der Praxis vorbeigenormt. Ein weiterer Kritikpunkt: Komponentenhersteller müssen im Detail offen legen, aus welchen Materialien ihre Produkte gefertigt sind und so entscheidende Betriebsgeheimnisse preisgeben. Aber bitte beachten Sie, dass meine Kritik nur dem Prozedere gilt. Gewiss ist ein hohes Maß an Sicherheit sinnvoll, aber wir müssen auch darauf achten, dass wir uns nicht durch unnötigen Bürokratismus blockieren und unsere Bahn-Fahrzeuge dadurch nicht sicherer, sondern nur teurer machen und so einen Wettbewerbsnachteil gegenüber außereuropäischen Herstellern haben.

Wo wird es denn besonders deutlich, dass bei der Normung das eigentliche Ziel – nämlich der Personenschutz – aus dem Blick verloren wurde?

Markus: Nur ein Beispiel: Bei den alten nationalen Normen war definiert, dass es einen Innen- und einen Außenbereich bei Bahnfahrzeugen gibt. Der Innenbereich war derjenige, wo sich Passagiere aufhalten. Dieser war in besonderem Maße zu schützen, d.h. man ging davon aus, dass Passagiere nicht nur reisen, sondern im ungünstigsten Fall auch für unvorhergesehene Dinge wie Vandalismus oder Brandstiftung verantwortlich sein können. Dementsprechend musste ein Sitzpolster oder eine Deckenverkleidung viel strengeren Brandschutzanforderungen genügen als eine Komponente, die in einem Schaltschrank verbaut war. Selbstverständlich sind auch dort technisch sinnvolle Maßnahmen zu treffen, um etwa einen Kurzschluss zu vermeiden. In der aktuellen Norm ist aber genau diese klare Definition verloren gegangen. Man spricht zwar auch heute noch von Innen- und Außenbereich, da jedoch die Definition fehlt, interpretiert jeder nach Gutdünken was er darunter versteht.

Das heißt der Personenschutz wird gewissermaßen auch in den Bereichen erfüllt, wo es gar keinen Sinn macht…

Markus: Es wird einfach nicht mehr darüber nachgedacht, warum damals für einige Bereiche schärfere Anforderungen gegolten haben als für andere. Wenn ich für alle Bereiche immer nur die Maximalforderungen stelle, ohne dass dies ggf. auch Sinn macht, verteuert dies die Sache nur unnötig.

Noch einmal zurück zu Ihren Produkten: Kommen diese in erster Linie in den mobilen Fahrzeugen, oder auch in stationären Einrichtungen wie Stellwerken oder Signaleinrichtungen zum Einsatz?

Markus: Wir sind sowohl in Bahnfahrzeugen, als auch in den stationären Infrastrukturen zu Hause. Denn gerade in den stationären Infrastrukturen ist die Zuverlässigkeit und maximale Sicherheit von einer Komponente wie einer Klemme besonders wichtig. Versagt ein Stellwerk, steht eine Weiche falsch und das kann katastrophale Konsequenzen haben. Deshalb sind die Anforderungen im Bereich Signaltechnik häufig höher, als in allen anderen Bereichen.

Die Verbindungstechnik von Wago ist in der Bahntechnik schon weit verbreitet. Sie erwähnten, dass es wünschenswert wäre, wenn auch andere Wago-Komponenten Einzug in diesen Bereich halten würden. Gibt es hierzu bereits Referenzen?

Markus: Mit unserer Interface- und Automatisierungs-Technik sind wir bei der Bahn durchaus schon erfolgreich im Einsatz, können und wollen hier aber noch wachsen. Unsere Automatisierungstechnik wird zum Beispiel in stationären Anlagen, d.h. zur Steuerung von Bahnhöfen und Signaltechnikanlagen, eingesetzt. In der Schweiz werden bereits über 1.000 nicht bemannte Bahnstationen komplett von unseren Bussystemen überwacht und gesteuert.

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