Fragen an Dr. Tilman Hoss,
Director Market Segment Management & Business Development bei Komax
Herr Dr. Hoss, würden Sie sagen, dass sich eine Investition in digitalisierte Prozessabläufe für alle Schaltanlagebauer lohnt, egal welcher Betriebsgröße?
Tilman Hoss: Es hängt nicht nur von der Betriebsgröße ab, sondern von verschiedenen Parametern, wie dem Wiederholcharakter der Aufträge und der Datenqualität der Verbindungsliste. Kleine Betriebe können schon von der Zeitersparnis beim Verdrahten profitieren, wenn sie mit einem einfachen Ablängautomaten (Kappa) die Verbindungen vorproduzieren und mit Quelle und Ziel Information beschriften können. Mit einer gewissen Standardisierung der Leitertypen, kann hier mit wenig Umrüsten ein Großteil vorfabriziert werden. Ein Vollautomat (Zeta), welcher einbaufertige Litzensätze produziert, ist eine Investition, welche meist eine Jahresproduktion von 500 Schaltfeldern bzw. mehr als ca. 150.000 Einzelkabelverdrahtungen und mehr erfordert.
Mit Blick auf Ihre Kunden: Wo sehen Sie derzeit noch die größten Hemmnisse, um tatsächlich erste Schritte in Richtung Digitalisierung anzugehen?
Hoss: Die Datenqualität ist oft das Manko. Die Engineeringabteilungen haben kein Interesse Mehrarbeit zu leisten, um Fertigungsdaten zu erstellen und die Auftragsfertiger haben es inzwischen zu ihrem Geschäftsmodell gemacht, mit unvollständigen Daten funktionsfähige Steuerungs- und Schaltanlagen zu bauen. Es findet fast immer ein Datenbruch statt. Der Fertiger muss sich daher in die Lage versetzten, schnell und effizient Produktionsdaten wiederherzustellen. Das erfordert neue Softwaretools und Mitarbeiterqualifikationen. Daher sehen wir eher Betriebe mit 30 bis 50 Mitarbeitern, welche in der Lage sind, eine Arbeitsvorbereitung mit Datenaufbereitung zu etablieren.
Bietet Komax einen Beratungsservice, welche Maßnahmen da im Einzelnen Sinn machen?
Hoss: Komax ist seit über 15 Jahren gezielt in diesem Bereich tätig und hat sich viel Knowhow erarbeitet. In ganz Europa ist Komax sehr regional mit eigenen Vertretungen oder Vertragspartnern vor Ort und kann Kunden jeder Größe beraten. Komax arbeitet dabei auch eng mit den führenden E-CAD Häusern zusammen, um einen bestmöglichen Datentransfer zu gewährleisten. Da Komax global vertreten ist, können wir die Kunden auch Standortübergreifend beraten.
Für welche Zielgruppe haben Sie Ihr Digital Lean Wiring Software-Tool entwickelt?
Hoss: Vor allem für die Auftragsfertiger. Welche immer mehr in der Überzahl sind gegenüber dem In-house Schaltschrankbau beim OEM. Diese erhalten meist nicht den ‚digitalen Zwilling‘ sondern ein PDF-Schema oder schlicht einen Papierausdruck. Das DLW ist ein einfacher Weg zu ‚re-digitalisieren‘. Zugegebenermassen ist das eine Krücke und entspricht nicht dem Industrie-4.0-Gedanken. Aber es ist pragmatisch und realitätsnah. Es bietet viele Möglichkeiten, die Größe und Art der Draht-Bündelung zu gestalten sowie die Reihenfolge der Verbindungen so zu sortieren, dass sie optimal dem Verdrahtungsablauf entsprechen. Es ist ein Tool, in dem das Knowhow der Schaltschrankbauer steckt, welches den Ingenieuren meist fehlt.
Wieviel Zeit benötigt es, um sich in die Software einzuarbeiten und welche Hardware-Voraussetzungen muss ein Nutzer erfüllen (z.B. spezielle Kamera)?
Hoss: Die Software ist in ein bis zwei Tagen schnell erlernt. Aber wie so oft benötigt es Routine, um auch wirklich schnell und effizient darin zu werden. Hier ist es von Vorteil, wenn es dedizierte Mitarbeiter gibt, welche die Daten zentral erstellen und dann in die Produktion geben. Komax bietet eine hochauflösende Kamera an, um den Ist-Zustand des Aufbaus zu erfassen. Ein maßstabgerechtes, verlässliches Aufbauschema würde aber auch für eine hinreichend genaue Längenbestimmung der Verbindungen ausreichen.