Herausforderung Energiewende

Anfang 2018 hat Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik die Größe seines Prüflabors mehr als verdoppelt. (Bild: Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik)

SSB: Laut Angaben des ZVEI fehlen der Elektroindustrie derzeit rund 50.000 Fachkräfte, Ingenieure, Softwareentwickler, aber auch Facharbeiter und Logistikpersonal. Wie macht sich dieser Mangel bei Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik bemerkbar und was unternimmt Ihr Unternehmen, um diesem zu begegnen?

Berthold: Sicher trifft uns dieser Fachkräftemangel auch. Der Rheingau, in dem wir seit über 120 Jahren angesiedelt sind, ist keine Industriegegend. Dies hat den Vorteil, dass unsere Marktbegleiter weit entfernt sind, aber den Nachteil, dass wir keine Fachkräfte in der näheren Umgebung anwerben können. Daher bemühen wir uns schon seit einiger Zeit, das Haus Jean Müller im Rheingau bekannter zu machen. Hierfür haben wir bestimmte Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeit gestartet. Außerdem sind wir eine Zusammenarbeit mit den hiesigen Schulen eingegangen und bemühen uns, dass Jugendliche mehr mit Technik in Berührung kommen. Wir werden jetzt ganz aktuell die Projektwoche der örtlichen Realschule bei uns im Hause durchführen. Ziel ist es, dass wir in den Schulen die entsprechenden Arbeitsschwerpunkte Technik mitbetreuen, indem unsere Auszubildenden dort lehrend tätig werden. Das fördert einerseits unsere Auszubildenden in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und weckt hoffentlich andererseits ein höheres Interesse bei den Schülern, als würde diese Tätigkeit von einem Lehrer ausgeführt, den die Schüler ja nicht immer positiv bewerten. Auf diese Art und Weise möchten wir junge Menschen mehr für Technik begeistern. Derzeit halten sich die Vakanzen bei Jean Müller noch in Grenzen, aber das Thema wird sicherlich intensiver für uns alle. Am Ende betrifft dieses Problem aber auch unsere Kunden. Viele Handwerksbetriebe klagen heute schon über einen Abarbeitungsstau aufgrund fehlender Fachkräfte. Es handelt sich also um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dafür zu sorgen, dass neue Jobs nicht nur in den Ballungszentren entstehen, wo die Menschen aber nicht mehr hinziehen können, da die Mieten zu teuer sind. Dadurch, dass sich die größeren Unternehmen aber dort ansiedeln, drohen die ländlichen Gebiete zu veröden.

SSB: 2019 ist wieder das Jahr der Elektrotechnik-Messen in Deutschland. Was dürfen Schaltanlagenbauer dann von Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik in Sachen neuer Lösungen erwarten?

Berthold: Allgemein gesprochen wird das Thema Messtechnik im Mittelpunkt stehen. Alle Schaltgeräte, die neu auf den Markt kommen, werden sich damit auseinander setzen müssen. Dabei bieten Geräte diese Option adaptiv, weil nicht jeder Kunde dies haben möchte. Grundsätzlich wird es immer schwieriger, bei der Entwicklung eines Produktes im Vorfeld festzulegen, wo sich der Anwender-Mainstream befindet, da die Anforderungen doch äußerst unterschiedlich sind. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Fertigung zu geringer Stückzahlen eines Produktes unrentabel ist. Es ist also ein Spagat. Ein weiteres Thema ist die Frage, ob man die Elektronik eher in Geräte integrieren sollte, weil so eine höhere Kompaktheit, eine einfachere Installation und eine größere Sicherheit gewährleistet ist. Die andere Fraktion möchte die Elektronik eher extern unterbringen, da diese in der Regel eine geringere Lebenszeit hat als der eigentliche Schalter und so einfacher getauscht werden kann, auch wenn eine neue Generation auf den Markt kommt. Beide Varianten haben sicherlich eine Existenzberechtigung. Ein weiteres Thema ist die Anbindung von Produkten anderer Anbieter an unsere Geräte und umgekehrt. Es muss also gemeinsame, standardisierte Schnittstellen geben. (jwz)

Seiten: 1 2 3 4Auf einer Seite lesen

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Phoenix Contact
Bild: Phoenix Contact
Die ersten Weichen 
für Gleichstrom sind gestellt

Die ersten Weichen für Gleichstrom sind gestellt

Nach der Gründung der Open Direct Current Alliance (ODCA) Ende letzten Jahres hat die ZVEI-Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen. Ziel der Allianz ist der weltweite Aufbau eines Gleichstrom-Ökosystems und die anwendungsübergreifende Etablierung der Gleichstrom-Technologie. Die ODCA sieht ihre Aufgabe darin, den Transfer von der Theorie in die Praxis zu schaffen. Die Redaktion hat bei einigen Gründungsmitgliedern nachgefragt, welche Motivation und Ziele sie treiben, sich dabei zu engagieren und DC-Technologielösungen zu entwickeln.

Bild: Ormazabal GmbH
Bild: Ormazabal GmbH
„Meilenstein auf dem Weg 
zur Dekarbonisierung der Netze“

„Meilenstein auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Netze“

Ormazabal hat seine SF6-freie Technologie auf den Markt gebracht. Die Lösungen für öffentliche Verteilnetze bis 24kV, sbp.zero24 und cgm.zero24, sind vollständig gasisoliert und kommen ohne F-Gas aus. Damit steht die Markteinführung im Einklang mit dem Engagement des Unternehmens für die europäischen Ziele der Klimaneutralität. Im Interview spricht Markus Kiefer, Geschäftsleiter bei Ormazabal, unter anderem über die Besonderheiten der neuen Technologie sowie den Einbezug der Kundenanforderungen bei der Produktentwicklung.

Bild: Schneider Electric GmbH
Bild: Schneider Electric GmbH
Praxiserprobt

Praxiserprobt

Nach erfolgreicher Testphase sind beim Kölner Energieversorger RheinEnergie klimafreundliche Mittelspannungsschaltanlagen Teil des regulären Netzbetriebs. Seit August 2022 arbeitet das Unternehmen mit der RM AirSet von Schneider Electric, einer gasisolierten Ringkabelschaltanlage, die ganz ohne Fluorgase auskommt. Nach erfolgter EU-weiter Ausschreibung hat der Energieversorger unter anderem Schneider Electric mit der Lieferung von weiteren Schaltanlagen dieser Art beauftragt.

Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Knapp 60 Prozent des Stroms wurden 2023 durch Erneuerbare Energien erzeugt. Weniger als ein Viertel davon durch Photovoltaik. Das könnte viel mehr sein. Der Wille ist auch bei vielen Unternehmen da. Jedoch gibt es neben individuellem „Bastelaufwand“ mit langen Genehmigungsverfahren und schließlich auch durch den Fachkräftemangel große Hürden. Das könnte sich nun ändern. Denn Sedotec schafft mit geprüften Feldtypen eine sichere, schnell zu installierende und nachhaltige Standardlösung zur Einspeisung selbst erzeugter Energie – nicht nur aus der Sonne.