SSB: Laut Angaben des ZVEI fehlen der Elektroindustrie derzeit rund 50.000 Fachkräfte, Ingenieure, Softwareentwickler, aber auch Facharbeiter und Logistikpersonal. Wie macht sich dieser Mangel bei Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik bemerkbar und was unternimmt Ihr Unternehmen, um diesem zu begegnen?
Berthold: Sicher trifft uns dieser Fachkräftemangel auch. Der Rheingau, in dem wir seit über 120 Jahren angesiedelt sind, ist keine Industriegegend. Dies hat den Vorteil, dass unsere Marktbegleiter weit entfernt sind, aber den Nachteil, dass wir keine Fachkräfte in der näheren Umgebung anwerben können. Daher bemühen wir uns schon seit einiger Zeit, das Haus Jean Müller im Rheingau bekannter zu machen. Hierfür haben wir bestimmte Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeit gestartet. Außerdem sind wir eine Zusammenarbeit mit den hiesigen Schulen eingegangen und bemühen uns, dass Jugendliche mehr mit Technik in Berührung kommen. Wir werden jetzt ganz aktuell die Projektwoche der örtlichen Realschule bei uns im Hause durchführen. Ziel ist es, dass wir in den Schulen die entsprechenden Arbeitsschwerpunkte Technik mitbetreuen, indem unsere Auszubildenden dort lehrend tätig werden. Das fördert einerseits unsere Auszubildenden in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und weckt hoffentlich andererseits ein höheres Interesse bei den Schülern, als würde diese Tätigkeit von einem Lehrer ausgeführt, den die Schüler ja nicht immer positiv bewerten. Auf diese Art und Weise möchten wir junge Menschen mehr für Technik begeistern. Derzeit halten sich die Vakanzen bei Jean Müller noch in Grenzen, aber das Thema wird sicherlich intensiver für uns alle. Am Ende betrifft dieses Problem aber auch unsere Kunden. Viele Handwerksbetriebe klagen heute schon über einen Abarbeitungsstau aufgrund fehlender Fachkräfte. Es handelt sich also um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dafür zu sorgen, dass neue Jobs nicht nur in den Ballungszentren entstehen, wo die Menschen aber nicht mehr hinziehen können, da die Mieten zu teuer sind. Dadurch, dass sich die größeren Unternehmen aber dort ansiedeln, drohen die ländlichen Gebiete zu veröden.
SSB: 2019 ist wieder das Jahr der Elektrotechnik-Messen in Deutschland. Was dürfen Schaltanlagenbauer dann von Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik in Sachen neuer Lösungen erwarten?
Berthold: Allgemein gesprochen wird das Thema Messtechnik im Mittelpunkt stehen. Alle Schaltgeräte, die neu auf den Markt kommen, werden sich damit auseinander setzen müssen. Dabei bieten Geräte diese Option adaptiv, weil nicht jeder Kunde dies haben möchte. Grundsätzlich wird es immer schwieriger, bei der Entwicklung eines Produktes im Vorfeld festzulegen, wo sich der Anwender-Mainstream befindet, da die Anforderungen doch äußerst unterschiedlich sind. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Fertigung zu geringer Stückzahlen eines Produktes unrentabel ist. Es ist also ein Spagat. Ein weiteres Thema ist die Frage, ob man die Elektronik eher in Geräte integrieren sollte, weil so eine höhere Kompaktheit, eine einfachere Installation und eine größere Sicherheit gewährleistet ist. Die andere Fraktion möchte die Elektronik eher extern unterbringen, da diese in der Regel eine geringere Lebenszeit hat als der eigentliche Schalter und so einfacher getauscht werden kann, auch wenn eine neue Generation auf den Markt kommt. Beide Varianten haben sicherlich eine Existenzberechtigung. Ein weiteres Thema ist die Anbindung von Produkten anderer Anbieter an unsere Geräte und umgekehrt. Es muss also gemeinsame, standardisierte Schnittstellen geben. (jwz)