Wäre es theoretisch auch möglich, dass ein Schaltanlagenbauer selber eine App in MindSphere einbringt?
Matthé: Ja, selbstverständlich. MindSphere ist die Plattform für die Daten und natürlich wird Siemens eigene Anwendungen entwickeln. Aber diese Möglichkeit haben auch Kunden oder Dritte, die dies im Auftrag des Kunden tun. Daraus lassen sich dann wiederum neue Geschäftsmodelle generieren.
Mittlerweile steht eine Unmenge an digitalisierten Produktdaten der unterschiedlichsten Hersteller zur Verfügung und es gibt eine beträchtliche Anzahl an intelligenten Engineeringtools, um diese Daten zu verarbeiten und in effiziente Prozesse zu überführen. Auf der anderen Seite hat eine kürzlich veröffentlichte Studie des ISW der Universität Stuttgart ergeben, dass ein durchschnittlicher Stromlaufplan rund 320 gedruckte Seiten umfasst und die Verdrahtungszeit auf dieser Basis immer noch knapp 50 Prozent der gesamten Fertigungszeit eines Schaltschranks einnimmt. Wann wird nach Ihrer Ansicht dieser riesige Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit geschlossen sein?
Matthé: Eine interessante Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Die Digitalisierung führt dazu, dass der gesamte Datenfluss durchgängiger wird. Dies beginnt bei unseren Kunden mit der digitalen Unterstützung bei der Planung und dem Design von Schaltanlagen und fließt dann möglicherweise auch weiter in automatisierte Verdrahtungssysteme, die es heute ja schon am Markt gibt. Insgesamt glaube ich, dass auch in diesem Bereich die Möglichkeiten der Digitalisierung rasch gelebt und angewandt werden, auch wenn dies vielerorts im Moment noch nicht danach aussieht. Die Vorteile, die sich durch die Digitalisierung ergeben – die Durchgängigkeit von der Planung, über die Fertigung, bis hin zur Auslieferung -, werden derart überwiegen, dass dies zu einer hohen Akzeptanz führen wird. Einen genauen Zeitpunkt für einen Durchbruch zu nennen, ist allerdings sehr schwierig. Für Siemens ist es auf jeden Fall wichtig, dass wir hier eine gewisse Vorreiterrolle einnehmen, um mit den vorhandenen Tools wie Simaris oder einer Plattform wie MindSphere uns und unseren Partnern und Kunden neue Geschäftspotenziale zu erschließen.
Wie sehen die weiteren Entwicklungen im Bereich der Energieverteilung bei Siemens aus? Wird es eher darum gehen, Hardware-Lösungen zu optimieren, indem man diese beispielsweise noch kommunikationsfähiger macht, oder werden sich die nächsten Entwicklungen eher um die Ausweitung einer Engineering- und Software-Infrastruktur drehen?
Matthé: Wir werden die Entwicklungen auf beiden Ebenen vorantreiben. Wir werden weiterhin unsere Produkte – ob dies nun Schalter, Mess- oder Energieerfassungsgeräte sind – optimieren und den Kundenanforderungen noch besser anpassen. Zudem werden wir auch die Entwicklung in Richtung einer verbesserten Kommunikation weiter vorantreiben, da dies überhaupt erst der Enabler für die Digitalisierung ist. Aus diesen digitalen Daten und Prozessen werden sich dann weitere Anwendungs-Tools in Form von Softwarelösungen ergeben, so dass diese beiden Bereiche mehr und mehr zusammenwachsen.