Die Anforderungen für Schaltschränke in den USA befinden sich im Wandel

Gab es denn aktuell eine bestimmte Interessengruppe, die diese Nomänderung vorangetrieben hat?

Müller: Treibende Kräfte bei den aktuellen Modifizierungen waren die Komponentenhersteller, aber auch die Schaltschrankbauer. Aus diesen beiden Gruppen kommen eigentlich die meisten Anregungen. Wenn man sich die offiziellen Vorschläge anschaut, erscheint dann häufig der Name UL, aber viele von den Anregungen, die von uns ins Normengremium eingebracht werden, kommen tatsächlich von Schaltschrankbauern oder Komponentenherstellern. Wir haben dann meist nur bei der Ausformulierung geholfen, damit die gebräuchlichen Termini eingehalten werden.

Das heißt, der Personenkreis, der Änderungen bei den UL-Standards vorschlagen kann, ist relativ groß.

Müller: Weltweit kann sich jeder, der Änderungsvorschläge zu UL-Standards machen möchte, an das entsprechende Standards Technical Panel (kurz STP) wenden. Auf der Internetseite https://ulstandards.ul.com/develop-standards/stps/ sind hierzu die entsprechenden Ansprechpartner veröffentlicht. Interessierte können sich im ersten Schritt auch an einen UL-Mitarbeiter wenden, der den Vorschlag dann weiterleitet. Wichtig ist, dass die Vorschläge an das Normengremium relativ konkret sind. Man sollte darstellen, warum eine aktuelle Regelung nicht gut genug ist und wie sie stattdessen in Zukunft aussehen sollte. Bestenfalls erstellt der Einreicher bereits einen ersten Textvorschlag. Hierbei sind wir gerne behilflich. Dasselbe gilt übrigens auch für die Installationsvorschriften in den USA, den National Electrical Code (kurz NEC): Da kann jeder weltweit sogenannte ‚Public Inputs‘ einreichen. Auch diese Eingaben sollten technisch fundiert sein.

Was ändert sich denn nun konkret in der UL 508A?

Müller: Es gibt eine ganze Reihe von größeren und kleineren Änderungen. Beispielsweise im Bereich Überspannungsschutz oder bei Regelungen im Umgang mit LED-Leuchten, die ganz andere elektrotechnische Eigenschaften als klassische Leuchtstoffröhren oder Glühlampen aufweisen. Ein weiterer Punkt ist die Nutzung von Aderendhülsen an Leitungen. Bei der Vererdung von Aderendhülsen gab es in der Vergangenheit regelmäßig größere Diskussionen. Diese sollten jetzt mit §29.3.5A ausgeräumt sein. Weiterhin geht es um Steckverbinder und neue Arten von Schalt- und Steuerschränken. Aber auch darum, dass der Anhang SA aus der UL 508A verschwinden und im Internet von uns veröffentlicht werden wird. Das erlaubt dann, flexibler Änderungen durchzuführen. Diese sind auch dringend notwendig, da viele für Komponenten relevante Normen – sei es für Frequenzumrichter, SPSen, Schütze oder Motorschutzschalter – immer häufiger mit den IEC-Normen harmonisiert werden. Diese Änderungen betreffen dann weniger den Schaltschrank- als vielmehr den Komponentenhersteller, müssten aber auch durch das Gremium der 508A abgestimmt werden. Das verlangsamt den Arbeitsprozess. Wenn wir diesen Anhang aus der UL 508A herauslösen und auf unserer Webseite präsentieren, können wir schneller agieren, mehr Klarheit auf dem Markt schaffen und so einen besseren Service für alle leisten. Aus Sicht von ANSI hat dieser Anhang informativen Charakter. Eine extrem große Bedeutung bekommt der Anhang SA 1.1. im Rahmen mit dem UL Panel Shop Programm. Die hier aufgeführten Komponenten können vereinfacht in UL-Zertifizierten Schaltschränken eingesetzt werden. Noch einmal zum Thema Harmonisierung: Es gibt Bereiche, wo die Harmonisierung bis in den NEC, aber auch in die 508A hineingreift. Einer dieser Bereiche ist die Spannungsgrenze. In der Vergangenheit war die UL 508A begrenzt auf 600V, genauso wie die Grenze von der Nieder- zur Mittelspannungsebene im NEC bei 600V gelegen hat.

 Am Standard UL 508A wurden in jüngster Zeit umfangreiche Modifizierungen vorgenommen. (Bild: UL International Germany GmbH)

Am Standard UL 508A wurden in jüngster Zeit umfangreiche Modifizierungen vorgenommen. (Bild: UL International Germany GmbH)

Im NEC von 2017 – dieser wird alle drei Jahre neu aufgelegt – ist diese Spannungsgrenze von 600 auf 1.000V angehoben worden und in einer der letzten Änderungen der 508A ist dieser Schritt ebenfalls vollzogen worden. Diese Entwicklung ist vor allem getrieben von Schaltschränken, die im Umfeld von Windturbinen eingesetzt und die auch in den USA sehr häufig mit 690V betrieben werden.

 

Was bedeuten die Änderungen für Schaltanlagenbauer? Wird deren Leben erleichtert oder eher erschwert?

Müller: Aus meiner Sicht wird die Arbeit der Schaltanlagenbauer eindeutig erleichtert. Ein Beispiel dafür ist das Thema LED-Leuchten. Es wurde eine ganze Reihe von Ausnahmen eingefügt, wie LED-Leuchten behandelt werden können. In Bezug auf Spannung und Leistung sind diese Leuchten niedriger als vergleichbare Beleuchtungssysteme. In der Novellierung der UL 508A nehmen LED-Leuchten nun eine Sonderstellung ein, bei der sie vereinfacht betrachtet werden können. Das macht das Leben des Schaltschrankbauers massiv einfacher, z.B. hinsichtlich Innenraumbeleuchtungen an Schaltschränken. Hier können LEDs als Steuerkreis statt als Leistungskreis eingesetzt werden. Damit dürfen z.B. die kleineren Leitungsquerschnitte nach Tabelle 37.1 verwendet werden. Ein weiteres Beispiel: In den Bereichen Limited Low Voltage/Limited Energy lag zuvor die Obergrenze der Spannung bei 42,4VDC. Diese ist nun angehoben worden auf 60VDC. Hierbei handelt es sich um eine ganz wichtige und übliche Steuerspannung. Dies ist ein riesiger Vorteil für solche Industrien, in denen 60VDC Steuerspannung üblich sind. Komponenten, die komplett in einen ‚limited voltage/energy‘ Kreis nach §43 eingesetzt werden, benötigen keine weitere Zulassung. Allerdings müssen die entsprechenden Leitungen von anderen Stromkreisen getrennt geführt werden. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wo die Norm offener geworden ist.

Eine Frage abseits des Normungthemas: Ist die ‚Smartifizierung‘ von Schaltanlagen – also beispielsweise die Möglichkeit des Auslesens von Leistungs- oder Energiedaten – auch in den USA ein Thema?

Müller: Dies ist sicherlich ein Thema. Allerdings wird in den USA an dieser Stelle nicht von Industrie 4.0 gesprochen, sondern vom Industrial Internet of Things (IIoT). Dadurch, dass der Maschinenbau in den USA nicht ein so bedeutender wirtschaftlicher Faktor ist wie z.B. in Deutschland, ist dieses Themenfeld eher Softwaregetrieben. Big Data ist in den USA ein sehr großes Thema, aber nicht unbedingt maschinenspezifisch. Hier hat Deutschland sicherlich weltweit eine führende Rolle.

Jürgen Wirtz, TeDo Verlag

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