Elektrische Sicherheit neu definiert

Verabschiedung voraussichtlich Anfang 2018

Elektrische Sicherheit neu definiert

Als bedeutende Norm für Hersteller von Maschinen und Anlagen in Bezug auf die elektrische Sicherheit für Maschinen hat sich die IEC60204-1 weltweite Anerkennung erworben. Seit 2016 gibt es sie in ihrer aktuellen Version 6.0. Diese soll nun als harmonisierte EN-Norm bis voraussichtlich Anfang 2018 verabschiedet werden. Gegenüber der früheren Fassung enthält sie an vielen Stellen Anpassungen und Modernisierungen, die sich an der Praxis orientieren und im Alltag als praktisch erweisen.

(Bild: Siemens AG)

Bild 1 | Für Schaltschrankbauer ist die weltweite Norm IEC 60204-1 zur Erfüllung der elektrischen Sicherheit eine wichtige Norm. Diese wird nun in der Version 6.0 auf deutscher und europäischer Ebene als DIN EN 60204-1 harmonisiert.

Die internationale Norm IEC60204-1 ‚Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen für die elektrische Ausrüstung an Maschinen‘ zählt zu den wichtigen Werken für Maschinenbauer und insbesondere Schaltschrankbauer. Nicht zuletzt die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU sowie die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG verweisen in ihren Amtsblättern u.a. auf die EN60204-1. Sobald Maschinen und Anlagen elektrische Ausrüstungen enthalten – also nahezu immer – sollten die Inhalte dieser Norm professionell umgesetzt sein. Seit Oktober 2016 beinhaltet die Norm nun gewisse Anpassungen, an denen die Internationale Elektrische Kommission akribisch gearbeitet hat. Bis voraussichtlich Anfang 2018 sollen diese Änderungen der Version 6.0 nun auch als harmonisierte Norm EN60204-1 in die Amtsblätter der relevanten europäischen Richtlinien übernommen werden. Zum gleichen Zeitpunkt ist die Veröffentlichung der deutschen Version, der DIN EN60204-1, geplant.

Beim Bemessungskurzschlussstrom die gesamte Anlage bewerten

Eines der wesentlichen Themengebiete der dann neu formulierten Norm EN60204-1 bezieht sich auf die Kurzschlussfestigkeit elektrischer Anlagen. Anders als bisher fordert die Version 6.0 nun konkret die Ermittlung des so genannten Bemessungskurzschlussstroms. Kurz gesagt: die gesamte elektrische Ausrüstung muss bewertet werden. Obwohl in der neu gefassten Norm kein eigenes Verfahren zur Ermittlung bzw. Bewertung der Kurzschlussfestigkeit genannt ist, verweist sie dennoch im neu aufgenommenen Kapitel 7.10 bewusst auf Methoden wie sie bereits in anderen Normen beispielsweise der IEC61439-1, der IEC60909-0, der IEC/TR60909-1 oder der IEC/TR61912-1 formuliert worden sind. Siemens unterstützt Fachleute bei Planung und Bau elektrischer Ausrüstungen mithilfe eines umfassenden IEC-Leitfadens, mit einem speziellen Whitepaper und durch Informationsangebote auf der Homepage sowie in Form von Schulungen bzw. Vortragsreihen. Wie wichtig das eingehende Studieren der Norm ist, zeigt auch das komplett überarbeitete Kapitel 8. Dort wurden die Anforderungen an den Schutzpotentialausgleich und Funktionspotentialausgleich neu formuliert und mit Darstellungen ergänzt.

Fehlerschleifenimpedanzmessung bei FU-gesteuerten Motoren

(Bild: Siemens AG)

Bild 2 | Die überarbeitete Norm formuliert nun einen eindeutigen Umgang mit der Fehlerschleifenimpedanzmessung in Antriebssystemen mit Frequenzumrichter.

Ein ebenso wichtiges Thema, dem in der neu gefassten Norm mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als bisher ist die Fehlerschleifenimpedanzmessung in Verbindung mit Leistungsantriebssystemen (PDS: Power Drive System) wie beispielsweise Frequenzumrichtern. Im Kapitel 18.2 fordert die IEC60204-1 die Überprüfung der Bedingungen zum Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung. Bisher war dieser Aspekt nur bei Motoren beschrieben, die direkt am Netz betrieben werden. Hintergrund ist, dass ein „Hindurchmessen“ durch Frequenzumrichter in der Praxis nicht möglich ist. Nun wird die so entstandene Grauzone klar formuliert und die Norm visualisiert mit entsprechenden Abbildungen wie Anwender das Prüfgerät an den Eingangsklemmen anzusetzen haben. Um die Forderungen nach einer normengerechten Schutzabschaltung innerhalb von 5s bei stationären Anlagen erfüllen zu können, muss zudem vom jeweiligen Gerätehersteller bestätigt werden, dass die geforderte Abschaltzeit auf der Abgangsseite des Geräts, z.B. Frequenzumrichter, bei korrektem Anschluss nach Herstellerangaben, eingehalten wird. Das bedeutet letztendlich: Einerseits müssen Hersteller von Maschinen und Anlage bzw. Schaltschrankbauer die Durchgängigkeit der Schutzleiterstromkreise prüfen und andererseits müssen sie auch die Überprüfung der Fehlerschleifenimpedanz sowie die Eignung der zugeordneten Überstromschutzeinrichtung nachweisen.

Steckdosen im Schaltschrank brauchen einen FI-Schutzschalter

In ähnlicher Weise geht die neue Version 6.0 der Norm IEC60204-1 auch bei Steckdosen für Zubehör ins Detail. Bisher war der Einsatz von FI-Schutzschaltern optional. Diese wurden meist eingesetzt, um die geforderten Abschaltzeiten, z.B. 0,4s bei 230V Spannung Phase – Erde, für handgehaltene Betriebsmittel der Schutzklasse 1 zu erreichen. Das bedeutet, bei Steckdosen, die nur für Schutzklasse-2-Betriebsmittel vorgesehen waren, konnte die Norm so interpretiert werden, dass auf einen FI-Schutzschalter verzichtet werden kann. Viele Schaltschrankbauer haben deshalb auf FI-Schutzschalter verzichtet, wenn die Steckdose, z.B. durch Anordnung innerhalb des Schaltschranks, nur für elektrotechnisch ausgebildetes Fachpersonal zugänglich und entsprechend gekennzeichnet war, dass nur Schutzklasse-2-Betriebsmittel angesteckt werden dürfen. Nun geht die Norm in der neuen Fassung allerdings einen Schritt weiter und fordert für Steckdosen bis maximal 20A Nennstrom generell einen FI-Schutzschalter, um bei Bemessungsdifferenzströmen von mehr als 30mA abzuschalten. Kurz gesagt: Jede Steckdose im Schaltschrank braucht nun einen FI-Schutzschalter.

Die Dokumentation ist klarer

(Bild: Siemens AG)

Bild 3 | Die Angabe der Bemessungskurzschlussfestigkeit auf dem Typschild ist mit der Version 6.0 nun obsolet. Stattdessen muss das gesamte elektrische System nach den gängigen Normen wie sie in der IEC60204-1 vorgeschlagen werden ermittelt werden und ist in der technischen Dokumentation anzugeben.

Viel Detailarbeit wurde bei der neuen Formulierung der Norm IEC60204-1 geleistet. So auch bei der Definition des Typenschilds zur Kennzeichnung der Ausrüstung. Ein Beispiel für die Veränderung ist die nun nicht mehr erforderliche Angabe der Kurzschlussauslegung für die elektrische Ausrüstung. Hintergrund ist, dass bisher nicht klar ersichtlich war, worauf sich diese Angabe bezieht; teils war damit der prospektive Kurzschluss gemeint, teils der Spitzenwert und in manchen Fällen war überhaupt nicht erkennbar, auf welchen Kurzschluss sich der angegebene Wert bezieht. Die Norm gibt nun vor, dass der Bemessungskurzschlussstrom ermittelt werden muss. Dieser Wert ist nun in der technischen Dokumentation anzugeben. Auch an anderer Stelle wurde der technischen Dokumentation in der Norm mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Kapitel 17 wurde umfassend überarbeitet und auf ’notwendige Dokumente‘ reduziert. Diesbezüglich enthält die neue Version 6.0 der Norm IEC60204-1 in Anhang I eine Tabelle, die die Art der Information für die elektrische Ausrüstung der empfohlenen Norm zuordnet. Sie stellt damit für Hersteller von Maschinen und Anlagen und Auftraggeber einen Leitfaden dar, um Inhalt und Umfang der Dokumentation im gemeinsamen Dialog zu definieren. Das bedeutet: Beide Seiten sprechen sich ab, was zur Dokumentation herangezogen wird. In der Norm sind allerdings umfangreiche Empfehlungen definiert.

Elektrische Sicherheit normenkonform umsetzen

Die gesamte Norm IEC60204-1 ‚Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen für die elektrische Ausrüstung an Maschinen‘ wurde von Experten einer eingehenden Prüfung unterzogen. Die neue Version 6.0 soll als harmonisierte europäische Norm erwartungsgemäß bis voraussichtlich Anfang 2018 zur Verfügung stehen.

Damit ist eine Reihe von Veränderungen verbunden, die letztendlich zum Ziel haben, den Betrieb von Maschinen und Anlagen noch sicherer zu machen. Die in diesem Fachartikel beschriebenen Veränderungen lassen die teils deutlichen Anpassungen gegenüber der bisherigen Version 5.0 erkennen. Darüber hinaus gibt es an vielen weiteren Stellen Vorgaben, die die Funktion bzw. Sicherheit elektrischer Anlagen verbessern und gleichzeitig den Praxisalltag erleichtern sollen. Siemens unterstützt Hersteller von Maschinen und Anlagen mit umfassenden Informationen dabei, die neue Definition der elektrischen Sicherheit normenkonform umzusetzen.

Siemens AG
www.siemens.de

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