Erhöhte Anforderungen

Messtechnik und Prüfaufgaben

Die Erstprüfung einer Schaltgerätekombination erfolgt mittels Besichtigung, Erprobung und Messung. Durch Sichtprüfung wird beispielsweise die Einhaltung der geforderten Gehäuse-Schutzart festgestellt. Auch die Prüfung der Luft- und Kriechstrecken kann auf diese Weise erbracht werden, sofern die Abstände offensichtlich größer als qua Norm vorgeschrieben sind. Bei kleineren Luftstrecken müssen eine Stoßspannungsprüfung und zum Nachweis der Kriechstrecken physikalische Messungen vorgenommen werden. Mittels Sichtprüfungen oder Erprobung lassen sich die Einhaltung der Montageanweisungen, die innere Verbindung der Stromkreise und insbesondere die Schraubverbindungen sowie die mechanische Funktion von Verriegelungen und Betätigungselementen kontrollieren.

Die praktische Men?auswahl per Drehschalter vereinfacht die sichere Durchf?hrung von Pr?fsequenzen (Bild: GMC-I Messtechnik GmbH)

Die praktische Menüauswahl per Drehschalter vereinfacht die sichere Durchführung von Präfsequenzen (Bild: GMC-I Messtechnik GmbH)

Für die messtechnische Überprüfung der elektrischen Schutzmaßnahmen von Schaltgerätekombinationen bietet Gossen Metrawatt mit dem Proitest Prime ein besonders leistungsfähiges Prüfgerät an. Der Funktionsumfang deckt fast das gesamte Prüfspektrum für Niederspannungsanlagen bis 1.000V AC / 1.500V DC angefangen mit Schutzleiterprüfungen mit 25A über Isolations- und Schleifenmessungen, RCD-Prüfungen aller marktüblichen Typen, die Isolationsüberwachung bis zur Messung von Ableit- und Berührströmen sowie der Restspannung ab. In der Geräteversion Prime AC sind überdies Hochspannungsprüfungen bis 2.500V AC, 500VA durchführbar. Das CAT IV-geschützte Gerät ist mit spezieller Sicherheitstechnik ausgestattet, so dass nur mittels Schlüsselschalter, Signallampe, Notaus-Schalter und der gleichzeitigen Betätigung beider HV-Pistolen geprüft werden kann. Neben vordefinierten Autosequenzen für die zügige Durchführung verschiedener Messaufgaben lassen sich auch eigene Prüfabläufe programmieren.

Zentrale Prüfabläufe und Messungen

  • Zu den wichtigsten Prüfaufgaben für Niederspanungs-Schaltgerätekombinationen zählen der Schutz gegen elektrischen Schlag sowie die Kurzschlussfestigkeit der Verteileranlage. Jede Schaltgerätekombination muss mit einem Schutzleiter ausgestattet sein, der bei Fehlern – etwa durch schadhafte Basisisolierung – die Stromversorgung abschaltet. Der Schutz gegen die Folgen eines inneren Fehlers ist gewährleistet, wenn die verschiedenen Körper der Schaltgerätekombination wirksam mit dem Anschluss des ankommenden äußeren Schutzleiters verbunden sind und der Widerstand des Stromkreises den Wert 0,1Ω nicht überschreitet. Zum Nachweis ist ein Widerstandsmessgerät zu verwenden, das für die erforderliche Prüfdauer einen Strom von mindestens 10A Wechsel- oder Gleichstrom von jedem Körper im Inneren der Schaltgerätekombination zum Anschluss für den äußeren Schutzleiter leitet. Mit dem Profitest Prime lassen sich die einzelnen Prüfschritte einfach per Drehschalter abrufen sowie Messungen der Durchgängigkeit des Schutzleiters mit Stromstärken bis 25A vornehmen.
  • Für die Prüfung der Isolationseigenschaften müssen alle elektrischen Betriebsmittel der Schaltgerätekombination angeschlossen sein. Davon ausgenommen sind lediglich Geräte, die nach gültigen Bestimmungen für eine niedrigere Prüfspannung konstruiert sind, sowie Strom verbrauchende Komponenten wie Wicklungen, Messgeräte und Überspannungsschutzgeräte, die bei angelegter Prüfspannung einen Stromfluss auslösen würden. Geprüft wird die betriebsfrequente Spannungsfestigkeit der Hauptstromkreise sowie daran angeschlossener Hilfs- und Steuerstromkreise. Nicht an einen Hauptstromkreis angeschlossene Hilfs- und Steuerkreise werden mit geringerer Spannung gesondert getestet. Die eingesetzte Prüfspannung von 1.000V bis 2.700V AC richtet sich nach der Bemessungsisolationsspannung des geprüften Stromkreises und darf im Moment des Anlegens höchstens 50% des vollen Prüfwerts betragen. Ist der Maximalwert erreicht, wird die Prüfspannung für 60 (+2) Sekunden aufrechterhalten. Weil die Prüfung mit Wechselspannung eine höhere Prüfschärfe aufweist, sollten Gleichspannnungsprüfungen nur erfolgen, wenn beispielsweise Filter oder Kondensatoren eine Messung mit Wechselspannung verhindern. Auch für diese Prüfabläufe können im Profitest Prime AC entsprechende Sequenzen hinterlegt werden.
  • Eine weitere Prüfaufgabe gilt dem Nachweis der Erwärmung. Er belegt, dass die Betriebstemperaturen zu keiner Funktionsbeeinträchtigung bzw. vorzeitigen Alterung der Schaltgerätekombination führen oder übermäßige Wärme an die externen Leiter abgegeben wird. Zur Durchführung der Messungen mit dem Profitest Prime wird ein kombinierter Temperatur/Feuchte-Sensor an das Prüfgerät angeschlossen und das eingespeicherte Prüfprogramm gestartet. Umgebungstemperatur und relative Luftfeuchte müssen sich vor, während und nach der Prüfung innerhalb festgelegter Grenzwerte bewegen.
  • Zur Prüfung der Schutzmaßnahmen an Schaltgerätekombinationen gehört schließlich die normkonforme Messung der Ableitströme, d.h. des Schutzleiterstroms nach VDE0701-0702 sowie der Berührströme an den leitfähigen, berührbaren, nicht mit dem Schutzleiter verbundenen Teilen nach VDE0701-0702. Im Zuge dessen müssen auch isolierte Gehäuse, Griffe und Leiter geprüft werden. Für diese Prüfaufgaben stehen mit dem Profitest Prime unterschiedliche Messmethoden zur Verfügung. Die Schutzleiterströme können sowohl durch Direktmessung mit zwei Messsonden und internem Messwiderstand als auch mit externer Strommesszange plus Filter direkt über dem Schutzleiter erfolgen. Alternativ ist auch eine Differenzmessung mittels externer Strommesszange über den aktiven Leitern L-N möglich. Die Messung von Berührströmen wird mit zwei Messsonden und internem Messwiderstand durchgeführt.

Der abschließende Prüfbericht verzeichnet alle durch Besichtigung, Erprobung und Messung durchgeführten Prüfungen samt Bezeichnung der Messwert-Protokolle und Schaltgerätekombination sowie der verwendeten Mess- und Prüfgeräte. Das Ergebnis der Prüfung wird in einer Bewertung zusammen mit den Angaben zu Prüfstelle, Prüfer, Datum und Unterschrift festgehalten. Um Prüfabläufe und Dokumentationspflichten zu vereinfachen, bietet Gossen Metrawatt eine bedienerfreundliche, geräteübergreifende Prüf- und Auswertesoftware an. Einzelne Messpunkte und -werte können über Bluetooth- und USB-Schnittstellen per Knopfdruck vom Profitest in die Software eingelesen und mit Messresultaten anderer Geräte zusammengefügt werden. Softwareseitig lassen sich komplette Prüfverzeichnisse von der gesamten Anlage über die Verteiler bis zu den einzelnen Messpunkten anlegen, um Prüfsequenzen und -schritte für alle vor Ort erforderlichen Messungen zu konfigurieren, abzuspeichern und revisionssicher zu protokollieren.

Autor |Michael Roick,
Produktmanager Test & Measurement
bei 
Gossen Metrawatt

Beitragsreihe: Anlagensicherheit auf dem Prüfstand

Teil 1: Schutzmaßnahmen-Prüfungen für Windkraft- und PV-Anlagen

Teil 2: Schutzprüfung von Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen

Teil 3: Schutzmaßnahmen-Prüfung der elektrischen Sicherheit von Maschinen

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